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Naturheilverfahren biblisch hinterfragt

Über 300 alternative Heil- und Diagnoseverfahren aus biblischer Sicht bewertet

Fragliche Ursachen, Diagnosen und Therapien

Stellen Sie sich einmal vor, Sie leiden unter irgendeiner Erkrankung, egal welche, und Sie gehen deswegen zu einem Heilpraktiker.

Gehen Sie zu einem Heilpraktiker, der die Dorn-Therapie bevorzugt, dann wird er eine Verrenkung des Hüft- oder Kniegelenkes feststellen, welche anscheinend zu einem Beckenschiefstand geführt hat. Durch den Beckenschiefstand kommt es zu einer Verkrümmung der Wirbelsäule. Die verkrümmte Wirbelsäule kann laut Dorn-Therapeut an sehr vielen Erkrankungen schuld sein. Der Heilpraktiker wird dann eine Dorn-Therapie mit Ihnen durchführen. So scheint es, dass Ihre Magen- oder Darmbeschwerden oder Kopfschmerzen von einem verrenkten Kniegelenk herrühren.

Gehen Sie mit der gleichen Erkrankung zu einem Heilpraktiker, der chirotherapeutisch fortgebildet ist, dann wird dieser einen blockierten Wirbel bei Ihnen feststellen und diesen als Ursache für Ihre Beschwerden angeben, egal was für Beschwerden dies sind. Er wird Sie dann chirotherapeutisch behandeln.

Gehen Sie mit der gleichen Erkrankung zu einem Heilpraktiker, der sich auf Darmpilze spezialisiert hat, dann wird dieser Heilpraktiker eine Darmpilzinfektion bei Ihnen feststellen und dies als Grund für Ihre Beschwerden ansehen. Er wird dann als Therapie eine Darmentpilzung durchführen.

Gehen Sie wiederum mit der gleichen Erkrankung zu einem Heilpraktiker, der sich Osteopath nennt und die Visceralosteopathie (siehe unter „Osteopathie“) bevorzugt, wird er ein blockiertes inneres Organ feststellen und mittels der visceralen Osteopathie mobilisieren. Ist er ein Osteopath, der eher die strukturelle (parietale) Osteopathie bevorzugt, dann wird er bei Ihnen einen blockierten Wirbel feststellen und diesen für Ihre Beschwerden verantwortlich machen. Er wird Sie dann mittels der strukturellen Osteopathie behandeln. Ist er ein Osteopath, der eher von der Kraniosakralen Therapie begeistert ist, dann wird er bei Ihnen eine Störung des Liquorflusses feststellen, egal unter welchen Beschwerden Sie leiden, und wird Sie mittels der Kraniosakralen Therapie behandeln.

Gehen Sie wiederum mit der gleichen Erkrankung zu einem Heilpraktiker, der die Neuraltherapie bevorzugt, dann wird dieser irgendwelche Störfelder bei Ihnen ausfindig machen und diese als Ursache für Ihre Beschwerden angeben. Er wird Sie dann mittels der Neuraltherapie behandeln.

Das könnte man ins Unendliche fortsetzen. Jeder Alternativtherapeut findet genau das am Patienten bestätigt, was er vermutet und wovon er schon im Voraus überzeugt ist.

Ein Rutengänger macht unterirdische Wasseradern für die Beschwerden verantwortlich, ein Bach-Blütentherapeut macht gestörte kosmische Kräfte für die Beschwerden verantwortlich, ein Schüßler-Therapeut eine Störung der Biochemie, ein Meridiantherapeut eine Störung des Energieflusses auf den Meridianen, ein Atlastherapeut einen blockierten ersten Halswirbel, ein Bioresonanztherapeut macht gestörte Schwingungen dafür verantwortlich und so weiter. Das lässt sich beliebig auf alle Therapiemethoden ausweiten.

Soll das eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen oder eine ganzheitliche Therapie sein?

Nein, das ist eine sehr ungenügende und enge Betrachtungsweise des Menschen und zeugt eher von einer ungenügenden Aus- und Fortbildung des Therapeuten und dem ungenügenden Verständnis von Anatomie, Physiologie, funktionellen Zusammenhängen und Krankheitslehre.

Für mich ist das keine ganzheitlich orientierte Naturheilkunde, sondern vielmehr eine einseitig betonte Laienheilkunde.

Je weniger die Therapeuten wissen und können, je mehr maßen sie sich an, alles zu wissen und zu können. Hier gilt der Spruch: Der Gebildete weiß einiges, der Halbgebildete weiß viel, der Ungebildete weiß alles.

Ich habe den Eindruck, dass in keinem anderen Dienstleistungsbereich die Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten höher ist, als in dem der Alternativtherapeuten. Hier gilt: Mehr Schein als Sein.


Ursachen und Diagnosen, die es nicht wirklich gibt

Dorn-Therapeuten gehen, wie schon angemerkt, bei vielen Beschwerden und Erkrankungen von „verrenkten“ Gelenken aus, die anscheinend ständig auftreten können. Egal mit welcher Erkrankung oder Beschwerden Sie zum Dorn-Therapeuten gehen, dieser wird immer irgendwo ein verrenktes Gelenk feststellen und diese für Ihre Beschwerden verantwortlich machen. Mittels der Dorn-Therapie wird das verrenkte Gelenk wieder eingerenkt und alles soll dann gut sein. Laut Dorn-Therapeuten können die Gelenkpartner bis zu zwei Zentimeter (und das ist für ein Gelenk sehr viel) verrenkt sein. Hätten die Dorn-Therapeuten nur ein bisschen Ahnung von Anatomie und Physiologie, so müssten sie wissen, dass Gelenke sehr straff durch Bänder, Muskeln, Gelenkkapsel und einen Unterdruck im Gelenk selbst fixiert sind. Ein Auseinandergleiten der Gelenkpartner von 1-2 Zentimeter ist nur unter stärksten Gewalteinwirkungen (z. B. Unfälle) möglich. Von Dorn-Therapeuten diagnostizierte Verrenkungen konnten bisher im Röntgenbild nie nachgewiesen werden.

Osteopathen, die überwiegend im visceralosteopathischen Bereich arbeiten, stellen ständig Verklebungen von Faszien (Häute, in denen Organe eingebettet sind) oder Blockaden von inneren Organen fest und geben dies als Ursache von vielen Erkrankungen an. Es ist schwer, dies nachzuprüfen. Eine Faszienverklebung ist sehr schwer zu ertasten und nur durch Ertasten zu diagnostizieren; es gibt keine andere Methode. Es ist also sehr vom jeweiligen Therapeuten abhängig, ob dieser etwas spüren kann oder nicht. Lässt man die Faszien von vielen verschiedenen Osteopathen tasten, so kommen viele unterschiedliche Befunde heraus. Jeder meint etwas anderes zu spüren. Die Behauptung, dass viele Erkrankungen und Beschwerden von Faszienverklebungen oder Organblockaden herrühren, bleibt eine Theorie, die nicht zu beweisen ist. Diese Theorie trifft nach meinen Erfahrungen in den seltensten Fällen zu und wird von Osteopathen erheblich überbewertet.

Kraniosakraltherapeuten sehen die Ursachen vieler Erkrankungen in einem gestörten Liquorfluss (Liquor = Gehirnflüssigkeit). Der Liquor umgibt das Gehirn und das Rückenmark. Kraniosakraltherapeuten wollen diesen Liquorfluss durch Auflegen der Hände am Schädelknochen durch den Knochen hindurch spüren können. So wollen sie einen gestörten Liquorfluss erspüren und diesen verändern können. Lässt man viele Kraniosakraltherapeuten nacheinander ein und denselben Patienten ertasten, so kommen viele unterschiedliche Befunde heraus. Die Behauptung, dass viele Erkrankungen und Beschwerden von einem gestörten Liquorfluss herrühren, bleibt eine Theorie, die nicht beweisbar ist. Diese Theorie trifft nach meinem Dafürhalten nicht zu.

Meridiantherapeuten oder Anhänger der Traditionellen Chinesischen Medizin sehen die Ursachen vieler Erkrankungen in einem gestörten Fluss der Lebensenergie Chi, die in den Meridianen (Energiebahnen) des Menschen fließen soll. Aber es gibt meiner Meinung nach keine Energiebahnen und auch keine Lebensenergie Chi. Diese Energiebahnen und die Lebensenergie Chi konnten nie nachgewiesen werden.

Atlastherapeuten sehen die Ursachen vieler Erkrankungen in einer Blockade des ersten Halswirbels (Atlas). Wird ein und derselbe Patient von verschiedenen Atlastherapeuten untersucht, so kommen auch hier viele unterschiedliche Befunde heraus. Der Atlas lässt sich kaum ertasten, weil er sehr tief sitzt und von vielen Muskeln umgeben ist. Blockaden des Atlas kommen nach meiner Meinung nur sehr selten vor und sind fast nie einwandfrei zu diagnostizieren. Dass ein blockierter Atlas schuld an vielen Erkrankungen sein soll, bleibt eine Theorie, die nicht wirklich zu beweisen ist und meiner Meinung nach auch nicht stimmt.

Warum sind sich viele Therapeuten so sicher, dass sie anscheinend sehr viel Ertasten, Spüren und Wahrnehmen können?

In Fachkreisen, aber auch bei Patienten genießt ein Therapeut mehr Ansehen, der mehr weiß und mehr kann als die anderen. Jemand, der ohne apparative Hilfe Erkrankungen und deren Ursachen erspüren kann und zum Beispiel durch Knochen hindurch den Liquorfluss spüren kann, vor dem haben wir Therapeuten Respekt. Das würden wir auch gerne können wollen.

So besuchen viele Therapeuten solche Fortbildungskurse, bei denen es auch viel um Tasten, Erspüren und Wahrnehmen geht. Keiner will sich bei solchen Kursen eine Blöße geben und will auch was spüren. Die anderen Kursteilnehmer spüren anscheinend alle etwas bei ihren praktischen Übungen. So will jeder unbedingt etwas spüren und manche machen sich solange etwas vor, bis sie tatsächlich etwas zu spüren meinen. Endlich gehört man zu denen, die sehr sensibel sind und alles zu erspüren glauben.

Es winkt auch viel Anerkennung von Patienten. Ein Patient, der die schulmedizinische Palette mit Röntgen, Ultraschall, Computertomografie, Blutuntersuchungen und so weiter durchhat und dann zu einem Therapeuten kommt, der die „wahren Ursachen“ seiner Beschwerden durch Ertasten erkennt, hat vor diesem großen Respekt. Zudem ist es so, dass die ertasteten Ursachen der Alternativtherapeuten oft weit vom Ort der Erkrankung entfernt liegen. Eine Kniearthrose hat je nach Therapeut ihre Ursache in einer blockierten Niere, die ertastet worden ist oder in einem gestörten Liquorfluss, der durch den Schädelknochen ertastet worden ist oder in einem blockierten ersten Halswirbel, der ertastet worden ist. Das erweckt noch mehr Eindruck. So genießt man als Therapeut, der viel Erspüren und Ertasten kann, Vorteile.

Erspüren, ertasten und wahrnehmen ist meiner Meinung nach sehr anfällig für Suggestion. Ohne dass wir es merken, manipulieren wir uns selbst oder lassen uns manipulieren. Die Begriffe Suggestion und Manipulation werden im Beitrag „Heilen mit Nichts – Warum helfen nutzlose Therapien?“ ausführlich erklärt und begründet.